Ich muss gestehen, es war nicht Liebe auf den ersten Blick, die musste erst wachsen.
Ganz unspektakulär eroberte er sich seinen Platz in meinen Garten. Ich muss gestehen, anfangs bekam er noch ziemlich wenig Aufmerksamkeit, doch mit der Zeit wuchs er zu einem Prachtexemplar heran und wurde unübersehbar. Er strotzt zwar nicht mit auffällig großen oder bunten Blüten aber seine beachtliche Höhe von etwa 2 Meter und seine silber-grün schimmerten Blätter sind ein wahrer Anziehungspunkt.
Selbstbewusst präsentiert es sich vor einer Felswand und zieht die Blicke auf sich. Desto mächtiger er wurde, desto mehr lockte er mich mit seiner Schönheit an. Er wusste genau, in ihm steckt noch mehr und dass er mit seinen inneren Werten noch mehr bei mir punkten kann. So wartete er, bis ich soweit war und das erste Blatt probierte.
Geschmacklich wird er mit einem Bitterwert von 10 000 bis 20 000 eingestuft, das bedeutet, dass 1g Droge in 10 000 bis
20 000ml Wasser gerade noch als bitter wahrgenommen wird. Zum Vergleich, die Schafgarbe wird mit einem Bitterwert von 3 000 - 5 000 angegeben.
Als ich nun ganz zaghaft das erste Blättchen verkostete, war ich regelrecht überrascht. Seine Stärke an Bitterstoffen kann man ihn auf keine Fall abstreiten, dennoch fand ich ihn mit seiner würzigen Note im Abgang als angenehm. Ich muss gestehen, ab hier begann unsere Liebesbeziehung und er bekam ab sofort meine vollste Aufmerksamkeit.
Ich beschäftigte mich ab nun etwas ausführlicher mit dem bitteren Geschmack. Wie sich der bittere Geschmack auf unseren Körper auswirkt, wie die TCM Bitterdrogen betrachtet und wieso wir bitter aus unseren Lebensmittel weggezüchtet haben (dazu gibt es sicher irgendwann einen eigenen Blog)
Nun erntete ich täglich einige Blätter aber nur so viele, dass er an seiner Schönheit an nichts einbüßen musste. Er durfte auch schon vorsichtig dosiert in meine Teetasse. Es dauerte nicht lange, bis er den Weg in die Weinkaraffe schaffte. Ich experimentiere nun mit den verschiedensten Zutaten und so entstand ein unbeschreiblich schmeckender gekräuterter Wein. Ab diesen Moment, als er als edler Wermutstropfen an einem lauen Sommerabend meinen Gaumen erzückte, war unsere Liebe fix.
Wie wird er nun gemacht? Was sind seine Zutaten? Wo kommt er her? Wie ist seine Geschichte?
Wermut, als Getränk hat seine eigene Geschichte, ob im alten Ägypter, in China, im alten Rom oder bei den Griechen. Wermut kann Geschichte schreiben und hat in der Künstlerszene, in Zeiten von Van Gogh&Co als berüchtigtes Getränk Namens "Absinth" oder auch "Grüne Fee" immer mehr an Beliebtheitsstatus gewonnen.
Bis er dann, wegen der verschiedensten Vorkommnisse im Absinth-Rausch, für Aufmerksamkeit sorgte. Er geriet in Verruf, man weiß aber nicht, ob es an dem hohen Alkoholgehalt (50-70%) des Schnapses lag oder an den im Wermut enthaltenen hohen Anteil an dem Nervengift Thujon. Beide Substanzen sind psychoaktive Drogen. Thujon soll eine anregende, euphorisierenden, berauschende Wirkung besitzen und zu einer veränderten Farbwahrnehmung führen. Wird die Substanz auf einen zu langen Zeitraum und zu hoch dosiert eingenommen, kann es zu Halluzinationen, Horrorwahrnehmungen und bleibenden psychischen Schäden kommen. Getränke mit einem zu hohen Gehalt an Thujon wurden einige Jahrzehnte verboten. Erst als eine Begrenzung, für den erlaubten Gehalt an Thujon festgelegt wurde, wurde er wieder zum Verkauf freigegeben. Der Alkoholgehalt, ist natürlich auch nicht mehr so hoch.
Kultstatus erlangte er, als unverzichtbarer Teil im "geschüttelten und nicht gerührten Martini" von James Bond. Nun was ist nun Wermut oder auch Vermouth genannt?
Wein, getunt mit einem geringen Teil hochprozentigen Alkohol, dem bitteren Wermutkraut, verfeinert mit Zitronenschalen, etwas Zimt und Gewürznelken. Zucker rundet das Getränk noch ab und kann je nach Menge von 30g bis 130-150g oder mehr pro Liter variieren. Er wird dann als extra dry oder dry mit geringem Zuckergehalt oder mit hohen Zuckergehalt als sweet bezeichnet.
Das Ergebnis sollte ein mundiger Starkwein (bis zu 22% Vol.) mit einer leicht bitteren Note sein.
Unzählige neue Kreationen an Spirituosen, verdrängten ihn für einige Zeit, von der vordersten Reihe der Barregale.
Daher wird es Zeit, den etwas in die Jahre gekommen und etwas mit Staub bedeckten bitter-süßen Barstar, aus den Regalen zu holen um ihn etwas genauer zu betrachten, bzw. zu verkosten;-) denn er verdient seinen würdigen Platz in den ersten Reihen.
Es ist eine Jahrtausendealte Tradition vergorenen Rebensaft mit ausgewählten Kräutern, Wurzeln, Rinden, Mineralien, Früchte usw. zu versetzten, ob ihn somit haltbar zu machen, die Gesundheit zu fördern, Krankheiten zu vertreiben, für ein langes Leben oder einfach nur um den Geschmack zu verbessern.
So wie wir den Wermut kennen, wurde er im 18 Jahrhundert in Turin kreiert und als Medizinaler Wein zu Heilzwecken getrunken. Wermut wird in der Volksheilkunde seit jeher bei Verdauungsbeschwerden eingesetzt.
Der Hauptdarsteller in diesem Medizinalwein ist der Wermut ( Artemisia absinthum) er wird auch der große Bruder des Beifuß genannt. Auch Hippokrates schätze das Kraut und lobte ihn hoch. Er setzte ihn gegen Gedächtnisschwäche ein. Nachweislich aktiviert er einen Rezeptor im Gehirn und hilft ein Nachlassen der Hirnfunktion zu verhindern. Na jetzt weiß ich warum ich ihn so brauche....hihihi....bitter macht fitter;-)
Durch seine Bitterstoffe unterstützt er die Funktion der Leber, wirkt stärkend auf das Immunsystem und hilft bei Erschöpfungszustände.
Wer gerne nach Italien oder Frankreich reist kommt bei der modernen Wermut-Tradition nicht vorbei und hat sicherlich schon einmal von dem edlen Tropfen getrunken oder zu mindestens davon gehört.
Es gibt viele Rezepte und je nach belieben werden sie mit den unterschiedlichsten Kräutern, Wurzeln und Blüten abgewandelt. Erlaubt ist was schmeckt und nicht giftig ist.
Doch heute möchte ich euch ein ganz einfaches Wermut-Rezept präsentieren und ich bin sicher es wird nicht mein letztes Experiment mit Wermut sein.
0,7 l Weißwein
100 ml Cognac oder Weinbrand
1/2 Zimtstange
3 Gewürznelken
2 - 3 Blätter junges Wermutkraut, desto älter desto höher ist der Gehalt an Thujon
Zitronenschale einer viertel Biozitrone
40g Kandiszucker
Alles zusammen in eine Flasche füllen und 3-4 Tage ziehen lassen, zwischendurch immer wieder schütteln und anschließend abseihen und in dunkle Flaschen füllen. Durch die Zugabe von Cognac wird der Alkoholgehalt des Weines, der etwa bei 12% liegt, auf ca. 17% erhöht.
Es bleibt deine Entscheidung, ob du den Wermut als Longdrink mit Soda oder Tonic genießt oder den bekannten Cocktail Manhattan oder eben den zuvor schon erwähnten Martini mixt.......ich genieße ihn am Liebsten pur als "Solist" oder an heißen Sommertagen mit etwas Soda.
Dieses Getränk mit Kultstatus, bleibt für mich ein Medizinalwein und sollte auch mit bedacht konsumiert werden.
Gutes Gelingen und eine genussvolle Zeit mit deinem aufgewerteten edlen Tropfen!!!
Eure
Silvia
Quellen:
mobo.de https://www.mopo.de/nach-jahrzehnten-des-verbots-ist-absinth-heute-ganz-legal---und-boomt-in-hamburgs-szene-laeden-das-comeback-der-gruenen-fee-19842510
mixology.eu https://mixology.eu/wermut-geschichte-trend-fakten-fortizierter-wein/
falstaff https://www.falstaff.at/nd/do-it-yourself-wermut/